Der Leitwert in der Praxis
In der letzten Zeit hört und liest man immer öfter vor allem bei Habitats- oder Artenbeschreibungen vom Leitwert.
Die wenigen Daten und Beiträge, die man zu dem Thema findet, gehören eher zu der „harten Kost“, so dass sich bisher die wenigsten Aquarianer mit der Thematik auseinandergesetzt haben. Dabei ist der Leitwert ein sehr nützlicher Hilfswert, aus dem man einiges ableiten kann.
Gruss
Christian
Die Theorie
Ohne etwas nackte Theorie geht es leider nicht.
Die elektrische Leitfähigkeit ist der Kehrwert des spezifischen Widerstandes des Wassers. Die aquaristisch relevante Einheit ist Mikrosiemens pro Zentimeter (µS/cm). Gemessen wird die Leitfähigkeit bei 25°C, der Wert steigt pro °C um ca. 2,2 %. Moderne Messgeräte haben einen eingebauten Temperatursensor und korrigieren den Wert entsprechend.
Die Leitfähigkeit des Wassers wird durch die Summe der darin gelösten Salze bestimmt, da diese in elektrisch geladene Ionen zerfallen, die den Strom transportieren.
Reinstes Wasser hat eine Eigenleitfähigkeit von 0,055 µS/cm.
Bereits aus dieser Definition ist ersichtlich, dass Leitwertmessgeräte keine Wundermittel sind.
Die Praxis
Der Leitwert ist aber auf jeden Fall ein äußerst interessantes und hilfreiches Mittel, um einige Messungen bzw. alltägliche Dinge zu vereinfachen.
Über den Leitwert kann man zwar kein unbekanntes Wasser bestimmen, aber man kann unter anderem die maximal mögliche Härte ermitteln. Hierzu teilt man den Leitwert durch den Faktor 33 (laut H.-J. Krause, Handbuch Aquarienwasser). Allerdings ist die Messung etwas ungenau, da es auch Salze gibt, die bei der Härtemessung nicht berücksichtigt werden. So kann ein Wasser mit einem Leitwert von 330 µS/cm eine Gesamthärte von 10° dGH aufweisen, ein niedrigerer Wert ist allerdings möglich.
In der Praxis haben sich vor allem folgende Einsatzgebiete bewährt:
- Testen ob ein Wasserwechsel fällig ist, der Leitwert sollte maximal je nach Ausgangswasser um 20-50 % ansteigen
- Testen ob eine Quelle mit bekannten Wasserwerten noch in Ordnung ist, hier sollte der Leitwert bei jeder Messung möglichst denselben Wert aufweisen
- Testen ob sich bei einer Quelle mit unbekannten Werten eine intensivere Untersuchung lohnt, hier sollte der Leitwert in den Bereichen liegen, die denen des gewünschten Wassers entsprechen. Eine Quelle mit einem Leitwert von 1000 µS/cm wird höchstwahrscheinlich durch Düngemittel oder ähnlichem verunreinigt sein
- Feststellen wann eine Umkehr-Osmoseanlage oder ein Vollentsalzer erschöpft ist, spätestens bei einem Leitwert von 50 µS/cm sollte regeneriert werden
- Testen ob Regenwasser aus der Dachrinne bereits aufgefangen werden kann oder noch zu viele Ablagerungen ausgewaschen werden
- Den Salzgehalt von Meer- und Brackwasseraquarien bestimmen
Wie man bei dieser Aufzählung bereits sieht, kann einem ein Leitwertmessgerät den aquaristischen Alltag immens vereinfachen.
Es gibt sicherlich noch weitere Einsatzmöglichkeiten für ein Leitwertmessgerät, aber die gebräuchlichsten sind hier aufgezählt.
Die Zucht
Auch bei der Zucht von Fischen, vor allem von zyklischen Laichern ist der Leitwert von Bedeutung.
So kann durch eine langsame Erhöhung des Leitwerts in Verbindung mit einer Absenkung des Wasserstands eine Trockenperiode imitiert werden. In dieser Zeit sollte man auch entsprechend sparsam füttern, gegen Ende der Periode am besten nur noch zweimal wöchentlich.
Der Leitwert steigt durch die Wasserverdunstung und die Mineralisation des Fischfutters allmählig an, man muss nicht unbedingt künstlich nachhelfen.
Das Aquarium sollte in dieser Zeit auf jeden Fall gut überwacht werden, damit man bei evtl. auftretenden Problemen sofort eingreifen und die Prozedur notfalls beenden kann.
Die Trockenzeit sollte in etwa 2-3 Monate betragen.
Die Regenzeit wird dann durch wiederholten Wasserwechsel mit sehr weichem Wasser mit möglichst geringer Leitfähigkeit (max. 100 µs/cm) in Verbindung mit einer Erhöhung des Wasserstands und guter, abwechslungsreicher Fütterung (hoher Lebendfutter-Anteil) eingeleitet.
Der Wassereinfluss sollte hierbei Regen imitieren, sollte also am besten mit einer Gießkanne oder einer Strömungspumpe unter Verwendung eines Ausströmerrohres erfolgen.
Diese Prozedur wurde bereits öfters bei einigen Fischen, z.B. diversen Mormyriden oder Corydoras-Arten, in der Praxis durchgeführt und zum Teil auch wissenschaftlich belegt (vgl. z.B. Symposiumband Fortpflanzungsbiologie der Aquarienfische ISBN 3-828819-08-9, Hartmut Greven und Rüdiger Riehl).
Vielleicht kann auf diese Weise die eine oder andere als zurzeit in Aquarien nicht nachzüchtbar eingestufte Art doch zur Vermehrung animiert werden…