Ancistrus sp. "Rio Paraguay"
Ein Haltungsbericht von Sandor Tüllmannn
Wer mich schon ein bisschen kennt, weiß, dass ich mir die Vermehrung von Ancistrus sp. „Braun“ nicht zutraue, deshalb pflege ich einige andere, eher unbekannte Ancistrus-Arten und versuche, sie zu vermehren. Ich schreibe absichtlich „Vermehrung“ und nicht „Zucht“ und hoffe, das im laufe des Berichts durchziehen zu können. Der Grund dazu ist einfach: in meinen Augen ist die „Zucht“ von Fischen ein geplanter, entsprechend vorbereiteter Akt. Das ist aber meines Wissens bei Welsen (bisher, mit wenigen Ausnahmen) nicht möglich, man kann die Tiere nicht zum Laichen „ansetzen“, weshalb mein erster Kommentar bei Fragen nach der Zucht immer „Geduld“ ist.
In diesem Bericht soll es um die Vermehrung von Ancistrus sp. „Rio Paraguay“ gehen, einigen wahrscheinlich besser bekannt unter der Bezeichnung Rotflecken-Antennenwels oder Ancistrus sp. „Rotflecken“. Nachdem es aber mehrere Ancistrus-Arten mit roten Flecken gibt (z. B. L110) ist die Bezeichnung nicht eindeutig. Seidel/Evers verwenden im Wels Atlas 2 (WA2) (wohl unter anderem aus diesem Grund) die Bezeichnung Ancistrus sp. „Rio Paraguay“. Und nachdem der WA2 im deutschen Raum quasi die Wels-Bibel ist, bleibe ich auch dabei.
Weil ich ein sehr fauler Mensch bin (und neben der Doktorarbeit dazu kaum Zeit bleiben würde und ich keine digitale Spiegelreflexkamera besitze und keine, die manuelles Makro hat), habe ich mich nie näher mit Bildbearbeitung beschäftigt und plane auch nicht, das in nächster Zeit zu tun. Entschuldigt also eventuelle leichte Unschärfen oder hier und da kleine Spiegelungen. Mein Augenmerk liegt darauf, dass man das Entscheidende erkennen kann und dass die Farbgebung korrekt ist. Seid euch bewusst, dass ich euch die schlechten Fotos erspare!
Ancistrus sp. „Rio Paraguay“ stammt, wie der Name vermuten lässt, aus Paraguay. Damit gehört er zu den Ancistren, die keine hohen Temperaturen benötigen, um 25°C sollte ideal sein. Eventuell könnte eine im jahreszeitlichen Verlauf schwankende Temperatur außerdem die Vitalität steigern. Dazu ist mir allerdings noch nichts bekannt (vergleichbares gibt es aber z. B. bei Ancistrus Pirareta).
Die Paraguays gelten als kleiner bleibende Antennenwelse. Obwohl Wildfangexemplare 15cm erreichen können, scheinen Aquarienexemplare dann auch mit 10cm ihre Maximalgröße zu erreichen, viele werden bereits mit 5cm geschlechtsreif. Für die „normale“ Haltung im Gesellschaftsbecken sollte damit (IMHO) ein 60cm-Becken so gerade ausreichen.
Ich habe meine Tiere als 3cm-Zwerge von Kurt Mack (www.zierfischzucht-mack.de) erhalten. Die ersten Monate waren sie in einem 45L-Becken (50*30*30) untergebracht bei 28°C und Leitungswasser (pH=7,0 LF=250µS/cm).
Obwohl den Paraguays nachgesagt wird, einen deutlichen Männchenüberschuss zu generieren, entwickelte sich von meinen letztendlich 3 Tieren (eines starb bei einem Umzug) nur ein einziges (!) zu einem Männchen. Die Tiere sind stark unterschiedlich gewachsen. Die Weibchen sind z. Z. ca. 5-5,5cm groß, das Männchen hat etwa 7cm.
Nach meinem Umzug im August konnten die Tiere Mitte August endlich ihr Domizil beziehen. Sie leben in einer Hälfte eines mit Schaumstoff geteilten Beckens mit den Maßen 60*50*25cm, gefiltert durch einen HMF.
Die Einrichtung besteht aus Sandboden, Wurzeln und vielen Höhlen aus Ton und Bambus. Die vom Männchen gewählte Höhle ist oben zu sehen (Bambus, ca. 10cm lang, 3cm Durchmesser).
Im Laufe der ersten Woche in diesem Becken wurde die Temperatur langsam von 27°C auf die geplante Haltungstemperatur von 25°C (Raumtemperatur) gebracht. Restliche Wasserwerte: pH=7,5 LF=370µS/cm. Gefüttert werden die Tiere wie alle meine Ancistren: Alle zwei Tage ausgewählte Gemüse (Gurke (selten), Zucchini (meistens), Tomate, Paprika), ca. einmal wöchentlich ein selbstgemachtes Pflanzenfutter, Futterflocken und Futtertabletten.
Am 24.08. konnte ich bei der abendlichen Fütterung ein Weibchen beim Versuch beobachten, in die vom Männchen besetzte Höhle einzudringen. Da die direkte Beleuchtung schon abgeschaltet war und ich die Tiere nicht mit Taschenlampen u. Ä. stören wollte, gibt´s da keine Bilder von.
Im Laufe der Nacht muss es dann zur Eiablage gekommen sein. Und nachdem hier auch Minderjährige surfen, dürfte ich das eh nicht zeigen.... Na ja gut, ein Beispielfoto vielleicht (von meinen Ancistrus sp. „Gelb-Schwarzauge“, die nicht so schreckhaft sind):
Am 25.08. ließen sich dann mit Hilfe einer Taschenlampe einige Eier unter dem Körper des Männchens entdecken. Wenn er den Lichtstrahl bemerkt hat, hat er jedoch die Eier mit dem ganzen Körper bedeckt. Weil die Höhle einen nach unten gerichteten Eingang hat, waren auch hiervon keine Bilder möglich. Das Ganze ist aber eher unspektakulär. Die Wasserwerte am 25. morgens: pH=7,71 LF=350µS/cm, Temperatur etwa 25-26°C.
In den folgenden Tagen erwies sich der Vater als sehr guter Brutpfleger, obwohl es sich um sein erstes Gelege handelt.
Am 29.08. wurde der Vater dann mitsamt dem Gelege in eine kleine Plastikwanne (ca. 7-8L Inhalt) gesetzt (normalerweise bevorzuge ich Einhängekästen, für dieses Becken habe ich aber noch keines, das der geringen Tiefe angepasst ist). Die Plastikwanne enthält nichts außer einem Ausströmer, um für Umwälzung und Sauerstoff zu sorgen. Außerdem setze ich immer einige (5-10) mittelgroße Turmdeckelschnecken in das Aufzuchtbehältnis.
Das Bild stammt von heute, in der hinteren Wanne (ca. 10L) befinden sich einige junge Ancistrus sp. „Gelb-Schwarzauge“, die demnächst in ihr Aufzuchtaquarium umziehen. Bis zu einer Größe von 2cm werden dann die Paraguays dieses Becken besetzen.
In diesem Schlupfbecken wird morgens und abends der Bodengrund mit einem Luftschlauch abgesaugt, dabei wird dann etwa 1L Wasser gegen temperiertes Leitungswasser getauscht (im kleinen Becken 0,5L). Nach Beginn der Fütterung werden jeweils 2-3L getauscht.
Am 30.08. morgens scheint der Schlupfzeitpunkt gewesen zu sein (ca. 5 Tage nach der Eiablage, was etwas überraschend war, denn Seidel/Evers geben im WA2 8 Tage bis zum Schlupf an). Zweifellos ist das aber eine vom Vater aus der Höhle gewedelte Larve:
Nach dem abendlichen Wasserwechsel wurden dann noch zwei mittelgroße Erlenzäpfchen dazugegeben.
Am 01.09. habe ich dann abends (ab jetzt passiert nur noch abends etwas, weil ich mit der Arbeit beginnen muss. Da bleibt außer für Wasserwechsel und füttern keine Zeit für Experimente) die Larven aus der Höhle geschüttelt. Nachdem ich aber nicht sicher war, ob ich alle erwischt hatte (der Vater ist sehr gut im Höhle verschließen), habe ich die Höhle noch im Becken belassen. Zählen konnte ich 30 Larven, die noch derjenigen vom 30.08. gleichen (etwas dünner vielleicht). Messen ist nicht ganz einfach, die Larven sind vielleicht 6-7mm groß.
Am 02.09. musste ich feststellen, dass sich die meisten Larven wieder zurück in die Höhle geflüchtet hatten. Also habe ich die Kleinen wieder herausgeschüttelt und dieses mal bin ich sicher, alle erwischt zu haben, so dass ich den Vater mitsamt seiner Höhle wieder zurück an seinen alten Platz im Haltungsbecken gesetzt habe. Die Larven beginnen, Pigmentierung zu entwickeln.
Außerdem habe ich dem Becken ein „Abfallstück“ Bambusrohr zugegeben. Sieht genauso aus wie die Höhle des Vaters, ist aber nur 3-4cm lang. Hier können sich die Jungwelse verstecken, wenn ihnen danach ist.
Eine eingehende Zählung ergab im Übrigen 30 Dottersacklarven, so dass ich schon am 01.09. alle erwischt hatte.
Am 03.09. hat die Pigmentierung deutlich zugenommen.
Außerdem befanden sich am Boden viele kleine Kotschnüre, die aber durchaus von den Schnecken stammen könnten, die sich an Aufwuchs am Bambusrohr gütlich getan haben. Nachdem die Welse noch deutlich einen Dottersack tragen, glaube ich nicht, dass die Kotschnüre von ihnen stammen. Heute abend werde ich das erste mal eine kleine Menge füttern (JBL Nobilfluid, leider scheint die Produktion davon eingestellt worden zu sein). Mal sehen, ob die Kleinen über Nacht etwas davon fressen..
Ich bin ja an sich ein eher bescheidener Mensch, aber ein Angeberfoto hab ich noch, ist am 3.09. geschossen:
Ich geb´s zu, da ist nur mit Erklärung etwas zu erkennen, also: der verschwommene Fleck in der Mitte ist der stolze Vater der Kleinen, um die´s hier geht, der Fleck etwas rechts davon, an der Wand der Höhle, ist offensichtlich das zweite Weibchen meiner Dreiergruppe und das was ihr da in einem einzelnen Bild seht, ist gewissermaßen der Beginn von Vermehrungstätigkeiten.
Am 04.09. hab ich noch keine Nahrungsaufnahme feststellen können. Ich habe am 03. abends eine kleine Messerspitze von Elkes Aufzuchtfutter gefüttert, musste es morgens aber wieder absaugen (war aber zu erwarten, da die Tiere immer noch deutlich Dotter besitzen, während die Körperfärbung stark in´s braune geht:
Am 05.09: Ich wusste ja vorher schon, dass die Paraguays ziemlich schnell ziemlich dunkel werden, aber dass es so extrem ist, hat mich dann doch etwas überrascht:
Jetzt bin ich mir auch sicher, dass die Jungfische anfangen zu fressen. Das ist leicht zu erkennen an den... Schnüren, die aus den Fischen.... Na ja, ihr könnt´s euch denken, ich hab auf ein Foto verzichtet..
Zu fressen gibt es ab jetzt möglichst abwechslungsreiches, feinstes Futter. Im Wechsel (nicht notwendigerweise in der genannten Reihenfolge und auch nicht regelmäßig verteilt) Elkes Aufzuchtfutter, J*L NovoTom, Tablettenstaub (ich hebe für solche Gelegenheiten „leere“ Futtertablettendosen auf, der Staub wird dann im Laufe der Zeit verfüttert) von TabiMin, Viformo No-Name-Spirulinatabs. Gemahlenes Flockenfutter (selten, ist mir zu aufwändig), feinst gemörserte, trockene Brennnesselspitzen und gelegentlich etwas Paprikapulver (das Gewürz aus der Küche).
Vor jeder Fütterung wird der Boden abgesaugt und dabei ca. 1L Wasser gewechselt. Abends wird ab jetzt alle zwei Tage der Boden abgepinselt (mit einem Küchenpinsel, der für Kuchenglasur u. Ä. gedacht ist, den ich für diesen Zweck reserviert habe), weil sich nur mit dem Sprudelstein ein leichter Bakterienfilm entwickelt. Das sollte sich aber erledigen, wenn die Kleinen erstens aktiver rumraspeln (der Bakterienrasen ist dann eher eine willkommene Zwischenmahlzeit und ich kriege ihn gar nicht erst zu sehen) und sie zweitens im Laufe der Woche in die größere Plastikkiste umziehen. Die A. sp. „Gelb-Schwarzauge“ werden noch ein paar Tage an die Bakterienstämme in ihrem zukünftigen Heim gewöhnt, dann ziehen sie um.
Am 06.09. durfte ich dann feststellen, dass der werte Herr Vater sein neues Gelege (das er sehr ordentlich betreut hat), aus der Höhle gewedelt hat. Der Zustand deutet darauf hin, dass mit dem Gelege irgendwas schief gegangen ist. Entweder ist er von irgendwas so gestört worden, dass er angefangen hat, das Gelege aufzufressen (unwahrscheinlich) oder das Gelege war von Anfang an nicht lebensfähig, sei es, weil die Eier überlagert waren oder nicht richtig befruchtet worden sind (wahrscheinlichste Variante).
Jedenfalls ließen sich noch vier Eier finden, die ich erst mal zu den Kleinen gesetzt habe:
Die Tatsache, dass die Eier nach und nach von den Turmdeckelschnecken entsorgt werden, bestätigt mich darin, dass die Eier nicht überlebensfähig sind bzw. tot sind (erstaunlicherweise kommen Turmdeckelschnecken nicht mal auf die Idee, befruchtete/lebende Eier zu fressen sondern entsorgen nur abgestorbene/nie befruchtete Eier, sind also der perfekte Putzservice für verlassene Gelege).
07.09. Jetzt ist nicht mehr zu leugnen, was das mal für Fische werden sollen:
Auch wenn die Art für den Laien vielleicht noch nicht sofort deutlich wird... Ich selbst finde ja, dass entgegen der allgemeinen Meinung auch Welse ein Kindchenschema besitzen.....
10.09. Es wird immer auffälliger, was man allgemein über die Jungwelse dieser Art liest: Auch wenn es sich um eine Art handelt, gibt es doch deutlich unterschiedliche Jungfischfärbungen:
Es gibt einerseits die dunkel gefärbten, wie ihr sie schon vom 07.09. her kennt:
Und dann gibt es einige, die sich wieder hell färben (alle waren mal mehr oder weniger dunkel gefärbt):
Mein subjektiver Eindruck ist, dass die helleren etwas größer sind als die dunkleren. Ob das einen kausalen Zusammenhang hat, kann ich aber noch nicht beurteilen..
Einen der Jungwelse musste ich heute abtöten. Er ist zwar gewachsen, aber nur bis zu den Bauflossen. Der gesamte Schwanz/Schwanzstiel war im Larvenstadium zurückgeblieben. Und um möglichst gesunde Aquarientiere zu erhalten, sollten verkrüppelte/“behinderte“ Jungtiere getötet werden. In der Natur machen das Fressfeinde, hier bleibe nur ich für die undankbare Aufgabe.
Im übrigen „ärgere“ ich mich mittlerweile, dass ich das Heimatbecken so knapp über dem Boden aufgestellt habe. Denn die meiste „Action“ findet im Moment eindeutig dort statt: Heute (zwei Tage nach dem Wasserwechsel) habe ich die beiden adulten Roten Hexenwelse im anderen Abteil zusammen in der Höhle erwischt. Mal sehen, ob ich die nächsten Tage einen neuen Bericht anfangen kann/muss/soll...
Nachtrag/Abschluss vom 22.04.07:
Mittlerweile sind einige Monate in´s Land gegangen, einige Bruten von A. sp. „Rio Paraguay“ habe ich groß gezogen und zwischendurch auch einige Fische verloren. Die jungen Welse scheinen mir etwas empfindlich zu sein, jedenfalls für einen so „einfachen“ Ancistrus. Schlechte Erfahrung habe ich mit der Verfütterung von gemahlenen Störpellets gemacht. Dieses aus dem Teichbedarf stammende Futter hat normalerweise einen festen Platz in meiner Futterbatterie für Ancistren und lässt die Tiere (normalerweise) ziemlich zügig wachsen, da es viel Protein enthält. Ich kann nur Vermutungen anstellen, aber ich denke, dass die Paraguays etwas empfindlich auf allzu proteinreiches Futter reagieren, jedenfalls in den ersten Lebenswochen. Beim Umsetzen in ein größeres zur Aufzucht gedachtes Aquarium ist ebenfalls Vorsicht geboten, wenn ich es einmal wieder etwas zu eilig hatte, habe ich schon innerhalb weniger Tage die ganze Brut verloren, ohne wesentliche Unterschiede in der Wasserchemie erkennen zu können. Außerdem wachsen die Tiere (bei mir) bei normaler Haltungstemperatur (25°C) elendig langsam und erreichen in 4-5 Monaten gerade einmal 3cm (die Abgabegröße). Bedingt durch akuten Platzmangel (mal wieder..) habe ich einige Tiere zu jungen Hypancistren gesetzt, dort haben sie 27-28°C Wassertemperatur. In diesem Becken erreichen die Tiere innerhalb von 2-3 Monaten etwa 3-4cm Größe. Man muss allerdings bedenken, dass die Tiere in einem solchen Becken erhöhten Nahrungsbedarf haben und sollten (meine Erfahrung) zweimal täglich gefüttert werden. Bei 25°C kann ich keinen Wachstumsunterschied zwischen ein- und zweimal täglicher Fütterung feststellen, bei 27°C stellen sie bei nur einmaliger Fütterung das Wachstum (fast) ein.
Die Vermehrung findet mittlerweile beinahe so regelmäßig statt wie bei A. sp. „Gelb-Schwarzauge“ (die alle 6 Wochen Freitag abends laichen).
Die kleinen „Rotpunkte“ haben jedenfalls einen festen Platz in meiner „Sammlung“ eingenommen und ich freue mich jedes mal auf´s neue über ein Gelege.
Alles in Allem ein perfekter, kleiner Loricariide, der für beinahe jedes (auch kleinere; 60cm-Becken sind durchaus geeignet) Gesellschaftsbecken geeignet ist. Nur die Vergesellschaftung mit allzu ruppigen Cichliden, größeren Welsen oder anderen Welsen der Gattung Ancistrus („Selbstschutz“ vor unerwünschter Hybridisierung) sollte vermieden werden.
Sandor Tüllmann